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AZ - Allgäu Kultur, 15. 2. 2023
Tiefe Wasser und Höhenflüge
Die Ausstellung "Kilian Lipp und Freunde" stellt in der Sonthofer Stadthausgalerie Werke des 69-jährigen Malers aus Hindelang den Arbeiten einer jüngeren Künstlergeneration gegenüber. Spannungsreiche Beziehungen ergeben sich.
Von Klaus Schmidt
Sonthofen Manchen Menschen steht das Waser bis zum Hals. Oder sogar noch darüber hinaus. So zumindest zeigt Julia Hiemer drei Köpfe. Natürlich nur in übertragenem Sinn. Sie liegen auf dem Boden, als reckten sie sich über die Wasseroberfläche hinaus. Wie die Köpfe von Schwimmern, die mal ganz normal Luft schnappen, mal eher verzweifelt nach Atem ringen. Julia Hiemer gehört zu den "Friends", die derzeit unter dem Motto "Kilian Lipp & friends" in der Sonthofer Stadthausgalerie eine Ausstellung bestücken.
Die "Friends" sind jüngere Künstlerinnen und Künstler, die ihre Arbeiten neben jenen des 69-jährigen Malers Kilian Lipp aus Bad Hindelang präsentieren. Fünf Kunstschaffende wurden dazu für die Schau in der Stadthausgalerie ausgewählt: die Bildhauerinnen Julia Hiemer (Prem) und Amrei Müller (Bad Hindelang), die Objektkünstler Nina Schmidbauer (Bad Hindelang) und Guido Weggenmann (Kempten) sowie der Maler Stefan Winkler (Argenbühl).
Ihre Werke stehen den Arbeiten von Kilian Lipp gegenüber, ergänzen sie thematisch oder treten in Kontrast zu ihnen. So hängt etwa neben dem großformatigen Ölgemälde "Vegetation" von Lipp aus dem Jahr 2021, das >Natur auf eine weitgehend flächige, auf wenige Farben beschränkte Komposition mit einigen Blütentupfen reduziert, der abstrakten Arbeit "Konzentrisch, Fragmentisch" von Stefan Winkler von 2022 gegenüber, die ein künstliches Konstrukt in ähnlicher Grundkonzeption darstellt.
Einen Raum weiter pumpert Guido Weggenmanns überdimensioniert in den Raum gepflanztes, plastisches Herz vor dem "Dunklen Herzen" Kilian Lipps, einer hinter dem Hirten kraftvoll bewegt drängenden Kuhherde. Und vor Lipps Ölgemälde vom abgestürzten "Ikarus", bei dem noch die Federn aufstieben von der Wucht des unliebsamen Aufpralls, hebt eine Frau mit einem zur Wiege ausgestreckten Körper in Amrei Müllers Betonguss-Skulptur traumverloren zum "Nachtflug" an.
Neben einer von Kilian Lipp so faszinierend dargestellten Wasserspiegelungen, in der Konturen von Schloss oder Landschaft auf den Oberflächen von Teich oder Fluss wie im Traum zerfließen, weckt Nina Schmidbauer mit einem Bildobjekt, das an filigrane Eisstrukturen erinnert, die Illusion an zugefrorene "Tiefe Wasser". Julia Hiemer wiederum offenbart in ihren sich kauernden oder sich reckenden Menschenskulpturen die Nähe zu jenen Bildern, mit denen Kilian Lipp das Werden und Vergehen des Menschen schildert.
So entwickelt diese Schau ein interessantes Beziehungsgeflecht zwischen den Kunstwerken, gibt dabei jedem großzügigen Raum zur Entfaltung und verdeutlicht so die Eigenständigkeit und Entwicklung jedes der Kunstschaffenden. Kilian Lipp, 1953 geboren, weiß in seinen Ölgemälden nicht nur Landschaften und Brauchtum im Allgäu atmosphärisch dicht einzufangen, sondern auch mythologische Themen udn religiöse oder allgemein spirituelle Gedanken eindringlich Bild werden zu lassen.
Stefan Winkler, 1968 geboren, zeigt sich zum einen als Maler großformatiger, vor Energie berstender Prospekte, die - wie im "Abgesteckten Feld" - große Illusionen erzeugen können, zum anderen als experimentierfreudiger Künstler, der unter anderem mit einfachen Symbolen und ausgeschnittenen Bildtteilen arbeitet. Julia Hiemer, 1975 geboren, lässt in ihren Holzskulpturen den schwierigen handwerklichen Bearbeitungsprozess erkennen, die Arbeit mit der Motorsäge, mit der einem Baumstamm die Figur abgerungen wurde, lässt aber auch dessen Strukturen, Rinde und Risse eine Figur prägen.
Guido Weggenmann, 1980 geboren, zwingt mit seinen filigranen Spinnennetzen auf schwarzem Grund, die Betrachterin oder den Betrachter, genauer hinzusehen. Der Künstler verblüfft mit seinen Stahlobjekten, die zum Beispiel ein oder zwei sich verjüngende Bänder zu einem aufstrebenden Gebilde emporwachsen lassen, das in seiner vielgestaltigen Musterung einen ganzen "Kosmos" beschwört.
Nina Schmidbauer, 1981 geboren, nutzt ganz unterschiedliche Materialen von Wolle bis Kunstharz, um der Betrachterin oder dem Betrachter ihrer Installationen mit Titeln wie "Weniger ist leer" auf die Sprünge zu helfen: Duftige Wollgebilde schweben wie Wölkchen im Raum und umkreisen ein Zentrum mit sich auflösenden Strickwaren. Was in der Mitte noch fest gefügt scheint, verliert, je weiter es nach außen driftet, an Substanz.
Wie in die Leere blicken auch Amrei Müllers (Jahrgang 1981) Frauenbüsten oder Ganzfiguren. Aus Beton gegossen wirken sie dabei mitten ins Leben gestellt. Doch nicht nur ihre Augen scheinen durch die Betrachterin oder den Betrachter hindurch auf eine rätselhafte Ferne gerichtet, manchmal erheben sich auch die Figuren selbst wie im Traum und entschweben scheinbar schwerelos der Wirklichkeit. Hoch über jedem Wasser.
Öffnungszeiten (bis 16. April): Mittwoch bis Sonntag von 14 - 17 Uhr.
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AZ - Allgäu Kultur, 9. 2. 2019
Von der Kraft des Wartens
Portrait Der Maler Kilian Lipp ist beharrlich seinen Weg gegangen - bis der Erfolg zu ihm kam. Die Popularität des 65-jährigen Hindelangers ist ungebrochen. Seine neuen Bilder überraschen.
Von Michael Dumler
"Jeder kann zaubern, jeder kann seine Ziele erreichen, wenn er denken kann, wenn er warten kann, wenn er fasten kann" (aus "Siddharta" von Hermann Hesse)
Bad Hindelang. Warten, das war schon immer die Maxime von Kilian Lipp, und Hermann Hesses "Siddharta" ist eines seiner Lieblingsbücher. Der Maler aus Vorderindelang hat nie groß die Werbetrommel für seine Kunst gerührt. Er hat sich stattdessen aufs Malen konzentriert, Ausstellungen in seinem Heimatort organisiert und gehofft, dass irgendwann die Menschen seine Kunst nicht nur gut finden, sondern kaufen. So war es dann auch. Der 65-Jährige gehört heute zu den großen, anerkannten Allgäuer Künstlern. Viele seiner Werke zieren Hotels; Sammler in Deutschland, Österreich, der Schweiz, den USA und Neuseeland haben mindestens eines seiner mehrere Tausend Euro teuren Ölbilder in ihren Wohnungen hängen. Archaisch muten seine Blider an: Menschen, Tiere, Landschaften malt Lipp mit berückender, poetischer Unschärfe. jedes Bild umweht ein Geheimnis. Das scheint viele Menschen zu faszinieren. Aktuell lässt sich dies auch in den Kunstarkaden Kempten sehen.
Dort bietet Kilian Lipp bekannte Landschaftsmotive und kaum bekannte, flirrende "Spiegelbilder": Ganz ohne Tiere und Menschen spiegeln sich Häuser, Bäume und Himmel auf Wasserflächen. Auch wenn diese Ansichten überraschen, bleibt Lipp sich treu: Vordergründiges und Details interessieren den Maler nicht. Es geht ihm ums Allgemeingültige, um eine Art Gleichklang. Deshalb sind seine Menschen und Kühe gesichtslos, Landschaften verwischt. '"Ich versuche, das Geheimnis einer Szene zu ergründen", sagt er. Eine Offenheit müsse aber bleiben, damit das Bild für den Betrachter zum Erlebnis werden könne. Die gespiegelten Landschaften, die er in Kempten zeigt, sind so ein Erlebnis.
"Solange ich draußen hocke, geht's mir gut", sagt Lipp. Im Sommer - wenn er nicht grad in seinem Landhaus in der Süd-Toskana ist - zieht er oft mit dem Fahrrad von Vorderhindelang los, Richtung Giebelhaus. Im Bärgündletal findet er passende Motive. Meist hat er beim Malen in der Natur einen Kophhörer auf und hört Musik: Bach, Beethoven, Mozart oder auch den Sound der 60er Jahre, mit dem er aufwuchs, Bob Dylan, Lou Reed, die Woodstock-Heroen. Eine seiner Lieblingsplatten ist "Canto General" mit der Musik von Mikis Theodorakis und Texten von Pablo Neruda. "Eine Offenbarung" für Lipp.
Viele seiner früheren Blder haben die Perspektive eines Kindes: So hat er Blasmusiker von hinten in Szene gesetzt. Aus gutem Grund: Als Kind hatte er einen Heidenrespekt vor den musizierenden Männern. Als Zwölfjähriger verbrachte er als Keinhirt viele Nächte allein in einer Hütte, trieb morgens die 70 Kühe nach Vorderhindelang zurück und radelte dann zur Schule nach Sonthofen. "Kindheitsbilder prägen sich ein. Davon profitiert man lebenslänglich", sagt der 65-Jährige.
Seine Mutter entstammte einer großbürgerlichen Berliner Familie, die es als Kindermädchen 1951 nach Vorderhindelang verschlug. Sie hatte strenge Prinzipien, liebte klassische Musik und Literatur, duldete keine Comic-Hefte und keinen Fernseher im Haus. "Bonanza haben wir bei den Nachbarn geschaut. Alles, was spannend war, durften wir Kinder nicht", sagt Lipp.
Als 20-Jährigen drängte es ihn hinaus in die Welt. Auf dem Allzweck-Frachter "Olga Jakob" heuerete er als Ingenieurassistent an, wartete die Maschinen. Der Malkasten war ebenso dabei wie die Gitarre. Ein Jahr lang reiste er um den Globus - von Antwerpen ging es nach Südafrika und Madagaskar, nach Kanada und Südamerika. Mal waren Rohre und Maschinenteile an Bord, mal Kaffee, mal Papier. Später studierte er Objektdesign in Aachen und Krefeld. Doch 1981 kehrte er ins Allgäu zurück. Er malte, hielt sich als Maurer, Holzfäller und Hirte über Wasser. Der Kemptener Kunstpreis 1988 bedeutete dann den Durchbruch. Bald konnte Lipp von seiner Kunst leben. Zu seinem unverkennbaren Stil, inklusive roter "Kili" - Signatur, hatte er schon damals gefunden.
Und dem blieb er bis heute treu, wie auch in der ständigen Ausstellung in seinem Kunsthaus auf dem Gailenberg in Bad Hindelang zu sehen ist. 2007 hatte er mit seiner Frau Annette ein denkmalgeschütztes Bauernhaus aus dem 17. Jahrhundert gekauft, aufwendig restauriert und dafür den Denkmalpreis des Bezirks Schwaben und die Denkmalschutzmedaille des Freistaats erhalten. Dort hat er auch sein Atelier untergebracht. Von der Sonnenterrasse geht der grandiose Blick übers Ostrachtal hinauf zum Imberger Horn und Iseler. Und rechts, ganz hinten, lugt der Ifen hervor. Ja, das Warten hat sich für Kilian Lipp gelohnt.
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Panorama - Das Magazin des DAV, 3 / 2018
Berge als Kunst
Kilian Lipp, Jahrgang 1953, stammt aus Vorderhindelang. Die meisten seiner Werke zeigen Landschaftsmotive aus dem Allgäu und Szenen traditionellen bäuerlichen Lebens. Das mag vielleicht für manchen nach alpenländischem Kitsch oder verkaufsfördernd aufgehübschtem Alpen-Idyll klingen. Lipps Bilder aber sind das genaue Gegenteil davon. Man braucht Muße für deren Betrachtung, eine gewisse Sensibilität und muss sich hineinziehen lassen in seine Bildsprache, deren Ausdruckskraft sich wie bei einem Palimpsest unter der Oberfläche auf einer tiefer liegenden Schicht verbirgt.
Seine Vita als Künstler ist beeindruckend: Lipp fuhr ein Jahr als Ingenieurs-Assistent zur See, bevor er Objektdesign in Aachen und Krefeld studierte mit dem Schwerpunkt Malerei und Plastik. Danach lebte und arbeitete er häufig in der Toskana. Schon seit 1978 ist er mit seinen Gemälden in Einzelausstellungen und auf Kunstmessen in ganz Europa präsent. 1997 wurden sie in der renommierten Gallery 54 in New York gezeigt und hängen längst als Ankäufe in Museen wie der Frieder-Burda-Sammlung, dem DAV-Museum in München, dem Schwäbischen Volkskundemuseum Oberschönenfeld, dem Kornhaus Weiler... 2005 war Lipp vertreten in der 100-Jahre-FIS-Jubiläumsausstellung samt Katalog - neben Bildern von Ernst Ludwig Kirchner, Edvard Munch oder Miró.
Seit 1981 ist sein Hauptwohnsitz im Allgäu. In der direkten Umgebung von Bad Hindelang findet Lipp seither all jene Sujets, die ihn inspirieren. Es ist nicht die attraktive Bergkette in der Ferne, sondern Schneefelder, Nebel überm Tal, Wasserfälle, auffallend häufig das Symbol eines halb verfallenen Stadels - oft bei schlechtem Wetter oder im letzten Abendlicht, vermittelt durch düstere Farbkompositionen und diffuse Konturen. Das Motiv steht im Fokus, kein Detail zuviel stört dabei die Redunktion aufs Wesentliche. Viele seiner Gemälde wirken atmosphärisch verdichtet und unterlegt mit einer feinen melancholischen oder - bei Festen - fröhlichen Stimmung. Auch die zunächst typischen Motive vom Viehscheid sind vielschichtig - wie das Gemälde vom "guten Hirten" im doppeldeutigen Sinn, dem die dicht aneinandergedrängte Herde geschlossen folgt: "Der Herr ist mein Hirte...".
Bei den figürlichen Darstellungen von Bauern bei körperlich schwerer Arbeit, in Tracht beim Kartenspielen in der guten Stube, beim Tanz oder beim Viehscheid fällt auf, dass die Figuren keine Gesichter haben und mangels Details jede Individualisierung fehlt. Nur das ab 2004 variierende Motiv einer jungen, dunkelhaarigen Frau im weißen Kleid mit weißer Perlenkette ist sofort wiedererkennbar udn fällt durch seine Charakterisierung komplett aus dem Rahmen. Ihr Gesicht ist nur zart angedeutet. Dennoch strahlen ihre Bilder eine Wärme und Harmonie aus, die bei den anderen Figuren fehlt, die eher wohlwollende Sympathie oder Respekt ausdrücken.
Wer sich auf Lipps eigenwillige, tiefgründige und unverwechselbare Bildsprache aus einer Mischung von Gegenständlichkeit und Abstraktion einlässt, der entdeckt unter der Oberfläche einen Kosmos mit Mementos an längst Verlorenes, erkennt Archetypisches, Mystisches, tiefe Naturverbundenheit, Melancholie oder Trauer angesichts von Vergänglichkeit oder Naturzerstörung durch den Menschen bis hin zu Momenten des Glücks, der Harmonie, des Gleichklangs oder eines energiegeladenen Aufbruchs. Lipps Bilder scheinen direkt mit den tieferen Schichten des Unterbewusstseins eines Betrachters zu kommunizieren. Wie Poesie.
2008 haben Annette und Kilian Lipp für die aufwändige Sanierung eines alten, baufälligen Bauernhauses aus dem 17. Jahrhundert den Denkmalpreis des Bezirks Schwaben und die Bayerische Denkmalschutzmedaille erhalten. Heute befindet sich in diesem faszinierenden Gebäude auf 1000 Meter Höhe am Gailenberg in großartiger Aussichtslage das "Kunsthaus Lipp" mit Atelier und Dauerausstellung der Werke. Es ist ein Gesamtkunstwerk und Wohlfühlort zugleich durch die perfekte Kombination von alter Bausubstanz, traditioneller und moderner Architektur sowie Lipps Bildern, die sich harmonisch einfügen. Zu den ganzjährigen Öffnungszeiten trifft man Annette und Kilian Lipp meist persönlich an. Man muss kein Kunstexperte sein, um mit diesen beiden sehr sympathischen Menschen über das Haus, die Bilder oder Kunst im Allgemeinen zu reden. Vielleicht fällt einem Besucher dabei irgendwann auf, dass Annette Lipp eine wunderschöne weiße Perlenkette trägt...
Text: Gaby Funk M.A., Tübingen
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Augsburger Allgemeine, 7. Juli 2016
Die Unschärfe der Heimat
Ausstellung Hier lebt das Ausgelöschte fort: Der Allgäuer Kilian Lipp erweist in Oberschönenfeld malerische Eigenart
Von Günter Ott
"Man ist immer auf der Suche nach seinen Wurzeln". Ein Bekenntnis von Kilian Lipp. Es hat Folgen, wie er seine Umgebung sieht. In dieses bodenständige Sehen mischt sich immer die Erinnerung, mit ihr das Vergangene, das Verfallene, Ausgelöschte, mit anderen Worten: der Kulturwandel.
Lipp hat seine Wurzeln im Allgäu. 1953 wurde er in Vorderhindelang geboren, studierte in Aachen und Krefeld (Abschluss Diplom-Designer), ist seit 1981 freischaffender Maler in Hindelang. Der Blick geht in die Berge, auf Hütten und Abhänge, aufs Oberjoch und hinunter ins Ostrachtal. Vor Jahren sanierten Lipp und seine Frau ein denkmalgeschütztes Bauernhaus auf dem Gailenberg (über seinem Geburtsort), richteten es als öffentlich zugängliches Atelier- und Galeriehaus ein (Mittwoch bis Samstag, 14 bis 17 Uhr).
Die Lipp-Ausstellung ("Gratwanderung") in Oberschönenfeld umfasst 45 Werke, meist Ölbilder auf Leinwand von 2015 / 2016, daneben einige ältere, die Gelenkstellen des Bildes durch Schraffen herausarbeitende Bleistift-Zeichnungen sowie Aquarelle.
Lipps Zugriff auf die Landschaft und den Menschen ist weder kühl analytisch noch zugespitzt auf Details. Es dominiert eine Unschärfe, die Einzelnes sogleich in die Gesamtfläche bindet, die atmosphärische Wirkungen sucht, den fließenden Übergang, das Schwebende, sich Verlierende. Der Horizont liegt hoch, die meist gedeckt aufgetragenen Farben sinken ins Dunkel und offenbaren dabei nuancierte Schattierungen ("Hütte im Gebirge"). Selbst da, wo Lipp sich am Hellen, am Wolkigen orientiert und etwa über die Weißzone noch einen Blaustreifen setzt ("Sommerwolke"), meidet er meist den völlig klaren, ungebrochenen Ton, mal davon abgesehen, dass er diese sehr verhalten leuchtenden Passagen durch dunklere abfängt. Das gibt vielen Bildern eine verhangene, ja melancholische Anmutung.
Es ist eben ein Unterschied, ob man erdenschwere Baumstümpfe reiht, oder ob man die Augen ins lichte Blätterwerk erhebt, auch wenn Lipp ohnehin weiße Farbwölkchen treiben lässt ("Stille Zeit"). Dass der Künstler eine bedrohlich dicht zusammenstehende, nahsichtig gegebene Kuhherde mit dem Titel "Dunkle Zeit" versieht, beweist, dass er seine zuallererst malerisch beglaubigten Motive aus der Alltäglichkeit zu lösen weiß. Ähnlich wie er in "Letzte Schönheit" die (links noch mit einem Gelb-Streifen versehenen) Sonnenblumen zum Symbol von Werden und Vergehen macht.
Lipp führt das Landschaftliche teils an die (Farb-)Abstraktion heran, sei es im Pastell "Kugelhorn" oder in den Ölmalereien "Rosenhimmel", "Schneefeld" oder "Verletzt". Die Diagonale dominiert die beiden letztgenannten Werke. Der Blick des Betrachters findet, wie so oft bei diesem Künstler, in den abschüssigen, stürzenden Flächen keinen Halt. Wenn das das Bild fertig ist, versieht es Lipp (neben seiner Signatur "Kili") oft noch mit einem lose flatternden roten Farbband, wie mit einem letzten Gruß.
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Allgäuer Zeitung, Allgäu Kultur, 19. März 2016
ZWEI UNERMÜDLICHE SINNSUCHER
Malerei Horst Heilmann und Kilian Lipp gehören zu den bedeutendsten Künstlern im Allgäu. In ihrer Ausstellung in Oberstdorf kann man Unterschieden und Gemeinsamkeiten nachspüren.
VON KLAUS SCHMIDT
Oberstdorf Versunken sitzt die Gestalt in einem Sessel und stützt sich an dessen Lehnen ab. Sie kehrt dem Betrachter den nackten Rücken zu und scheint zu sinnieren. Vielleicht über das Bild, das an der Wand hängt. Vielleicht fragt sie sich: "Was bleibt?"
"Was bleibt" - ohne Fragezeichen allerdings - ist auch der Titel der Ausstellung im Oberstdorfer Kunsthaus Villa Jauss, zu der dieses Gemälde von Horst Heilmann (Jahrgang 1944) gehört. Die Schau stellt Arbeiten des Kemptener Malers jenen des Bad Hindelanger Kollegen Kilian Lipp (Jahrgang 1953) gegenüber.
Beide Künstler zählen zu den bedeutendsten des Allgäus und können auf eine lange, erfolgreiche Karriere zurückblicken, immer wieder angereichert durch Preise und Auszeichnungen. Jeder von ihnen hat seine eigene künstlerische Handschrift entwickelt, pflegt seine speziellen Themenkreise. Und doch finden sich Gemeinsamkeiten.
Beide Künstler gehen von gegenständlichen Motiven aus, bleiben in ihren Bildern der figürlichen Darstellung verhaftet, vermeiden aber allzu konkrete Details. An die Stelle des wirklichkeitsnahen Abbilds tritt eine mehr oder weniger starke Andeutung. Eine Distanzierung, die das Motiv zum Sinnbild macht.
Kilian Lipp malt bevorzugt in Öl auf Leinwand, was ihm die Region bietet: die Landschaft des Ostrachtals beispielsweise, erleuchtet oder verdüstert durch eindringliche Wetterstimmungen, wie sie jeder schon einmal erlebt hat, aufgeladen mit unbeschwerter oder unheimlicher Atmosphäre. Die Pinselstriche werden dabei in meist gedeckten Tönen dicht nebeneinandergesetzt, abstrahieren das Motiv auf eher einfachere Formen.
Dem ländlichen Leben entnommen scheinen die Menschen, die Kilian Lipp darstellt: den Hirten, hinter dem die Rinder als dunkle Masse drängen; den kernigen Lenker, der mit geballter Kraft die Wucht der Stämme bremst, die auf seinem Schlitten lagern und talwärts drücken; die Mädchen, die mit Blütenkränzen im Haar und am Hals in duftigen Kleidern tanzen. Sie alle sind gesichtslose Wesen. Staffage in einer Welt, in der das Brauchtum Gefahr läuft, zur Touristenattraktion reduziert zu werden.
Doch wer Kilian LIpp nur für einen Allgäu-Maler hält, der irrt. Schon lange hat er andere Motivkreise für sich entdeckt: "Das große Wasser" zeugt davon, eine Studie über die entfesselte Kraft des Meeres, sinnbildhaft aufgeladen als beständiger Kampf zwischen Hell und Dunkel. Oder "Guantanamo", eine an einen Baum gefesselte, nur mit einem Lendenschurz bekleidete Männerfigur, einem Heiligen Sebastian ähnlich, der mit dunkler Haut und hellem Halsschmuck Kennzeichen eines Eingeborenen trägt: der Ureinwohner in den Fängen einer vermeintlichen Zivilisation.
Symbolkraft haben auch die weiblichen und männlichen Akte und Köpfe, die Horst Heilmann zeigt. In "Blick zurück" fixiert eine Frau mit großen Augen den Betrachter, scheint geradezu durch in hindurchzublicken, versunken vielleicht in die eigene Vergangenheit. Ergeben steht eine andere Frau in einem nur angedeuteten Raum, nackt, eine verletztliche Kreatur.
Heilmann formt seine Figuren aus schnell gesetzten Strichen, in kräftigen Acrylfarben auf Leinwand, und verleiht ihnen so plastische Körperlichkeit. Ähnlich baut er auch seine imposanten Gebäude: Paläste in tiefblauer Nacht etwa, die sich - prachtvoll erleuchtet - im Wasser eines Flusses oder Sees spiegeln, weitläufige Säle oder Galerien, deren klar strukturierte Architektur und reiche Ausstattung nur angedeutet wird, gewaltige Stadtteilansichten, die das Flair einer alten Metropole vermitteln und künstlich erleuchtet in der Nacht fast magische Ausstahlungskraft entwickeln.
Diese Studien geben keine existierenden Bauten wieder, sondern sind künstlerisch freie Kompositionen aus gesammelten Eindrücken und Erfahrungen, ebenso wie die Waldlichtungen und Flussauen, mit denen Horst Heilmann seine Werkschau abrundet. Auch diese Landschaftsprospekte gleichen einer aus vielen gegensätzlichen Strichen aufgebauten Archtitektur, einer in sich ausgewogenen Konstruktion, die zum Sinnbild wird für das Wunder der Natur. Wird es bewahrt?
Was von der Ausstellung bleibt: Die Erinnerung an intensive Gemälde von großer künstlerischer Geschlossenheit.
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Servus in Stadt und Land / Bayern, Mai 2015
Wer kauft schon einen schiefen Hof?
Der frühere Besitzer wollte die Fensterläden nicht öffnen. Da besichtigten Kunstmaler Kilian Lipp und seine Frau Annette das Haus mit der Taschenlampe. Der Beginn einer Liebe in Bad Hindelang.
Text: Kathrin Thoma-Bregar / Fotos: Josefine Unterhauser
"Haben Sie gleich hergefunden? Kommen Sie rein. Einen Espresso?" Kilian und Annette Lipp stehen strahlend in der geöffneten Tür und bitten Ihre Gäste hinein. Und wir? Wir können uns nicht losreißen von der Kulisse. Wir schauen hinunter ins Tal, nach Bad Hindelang. Dort haben wir eben noch durch kleine, schmale, steile Gassen den Weg hinauf zum Gailenberg gesucht. Jetzt stehen wir am Hang des malerisch emporgehobenen Weilers und lassen den Blick spazieren hinüber auf Allgäuer Bergspitzen.
Wir folgen dem Hausherrn, tauchen sogleich in eine Welt aus knarzendem Holz, Licht und dem Geruch von Terpentin. Im Hintergrund leise Musik, Mozarts unvollendete C-Moll-Messe, an den Wänden überall Bilder, große, kleine. Es ist die Welt eines Künstlers, und doch so heimelig wie ein alter Bauernhof nur sein kann.
Fast vierzig Jahre stand das Anwesen aus dem 17. Jahrhundert leer. Vergessen versteckte es sich hinter dichtem Gestrüpp und alten, knorrigen Bäumen. Im Untergeschoss war einst der Stall, darüber erhob sich die Tenne, in der Südostecke war der Wohntrackt.
Oft zog der Kunstmaler Kilian Lipp an dem Hof vorbei. Beladen mit Leinwand, Staffelei, Stuhl und Kopfhörern, auf der Suche nach inspirierenden Motiven. Er sah in dem verlassenen Haus, was andere gar nicht wahrnahmen: den idyllisch verwilderrten Obstgarten, der sich den Hang hinunterzog, die von Wind und Wetter dunkel schattierten Holzschindeln an der Ostfassade. Ein Fleckchen, wie geschaffen für einen Künstler.
Behutsam erneuern
Als das Haus zum Verkauf stand, schlug sein Herz schneller. Schon lange träumte Kilian Lipp von solch einem Atelier. Und von einem Zuhause für seine Bilder. Er vereinbarte einen Besichtigungstermin.
Der Besitzer wollte doch wahrhaftig die Fensterläden nicht öffnen, Kilian Lipp und seine Frau suchten das Haus mit Taschenlampen ab. "Alles war zugestopft mit Kisten voller Krimskrams." Schrott stand herum, alte Surfbretter, Einkaufswagen, Bettgestelle, "Die Wände waren nass, die Balken morsch." Kurz und gut: "Wir kauften es."
Etwas naiv vielleicht. Aber: Das Paar hat die Entscheidung nie bereut. Auch wenn es damals mit einem deutlichen s-c-h-Wort begann, s-c-h wie ... schuften.
Drei Wochen haben die Lipps nichts anderes gemacht als auszumisten. Anhängerweise Müll ins Tal fahren. Leider war fast gar nichts dabei, was sie hätten verwenden können.
Kilian Lipp hat Objektdesign studiert, Architektur fand er seit jeher spannend. Das half bei der Planung. Seine Idee: aus der Tenne einen großen, hohen Atelierraum schaffen, den Rest des Hauses als offene Galerie nutzen und einen kleinen Wohnbereich abtrennen. Er wollte so viel wie möglich von der alten Substanz erhalten und so behutsam wie möglich Neues einbauen: Betondecken, Stahlträger, Fenster, Türen, Treppengeländer, Beleuchtung, Beschläge.
Es war ein Sommertag, als die Lipps und eine Gruppe von Handwerkern die Sanierung in Angriff nahmen. Sie begannen im Keller, dort, wo einst die Kühe standen. Hier war der Boden nichts als sumpfiger, muffiger Lehm. "Wir haben komplett ausgebaggert udn waren ständig in Sorge, dass über uns alles zusammenbrechen würde", erinnert sich Annette Lipp.
Ihr Mann: "Ja, die Statik war verheerend." Als das Paar eines Morgens feststellen musste, dass die Mauer unter der Küche nachgegeben hatte, beschlich sie "leise Panik". Sie betonierten die Wand wieder auf.
Sie beteten, als der Zimmerer mit schwerem Gerät anrückte. Das Haus hatte sich längsseitig über Jahrhunderte fast einen halben Meter nach außen geneigt.
Es musste zurückgedrückt werden.
"Es war riskant. Aber ich sagte mir immer: Das Haus steht schon 300 Jahre, da wird nicht ausgerechnet jetzt was passieren", sagt Kilian Lipp.
Alte Holzdecken, alte Stalltüren
Stattdessen geschah etwas anderes: Kaum dass der Müll raus und Stabilität drin war, offenbarte der Hof nach und nach seine schlichte Schönheit. Kilian Lipp beschreibt das so: "Wir kamen ihm immer näher und stellten fest, im Grunde fehlt ihm nicht viel. Der Holzwurm hat ihn verschont. Die Winter heroben auf 1.000 m sind kalt, da bleibt der Holzwurm fern. Also: Der Hof brauchte nur noch eine gründliche Wäsche und neue Klamotten."
Heute ist der Stall eine helle, großzügige Galerie mit Glastür in den Garten. Freigelegtes Mauerwerk, weiß verputzte Wände, dazu die alte Holzdecke, Balken und Stalltür geben den ausgestellten Kunstwerken eine schlichte Bühne. Über eine Treppe geht's hinauf in die Tenne, wo früher Getreide gedroschen wurde.
Hier ist das Zentrum des Hauses. Ein hoher, offener Raum mit großer Fensterfront nach Süden. Und wieder dieser Ausblick aufs Imberger Horn, den Breitenberg, die Rotspitze, die Hintersteiner Berge.
Annette Lipp kann gefühlt fast hinüber ins Tannheimer Tal winken, in ihre Tiroler Heimat. Trotz des Denkmalschutzes durfte Kilian Lipp die Panoramascheiben einbauen. Einzige Bedingung: Außen mussten zusätzlich Lamellen her, um den Eindruck einer geschlossenen Fassade zu erzeugen. Die lassen sich nach Bedarf hoch- und runterfahren.
Dem alten Fichtenholzboden merkt man seine 300 Jahre an. Wie auf einem Schiff wankt man darüber, so uneben sind die Bohlen, voller Kerben und Furchen. Früher wollte Kilian Lipp tatsächlich mal Schiffsbauingenieur werden. Ein Jahr fuhr er zur See, dann wechselte er an die Hochschule für Gestaltung nach Aachen. Er blieb einige Jahre im Ruhrgebiet hängen, bis es ihn wieder ins Allgäu zurückzog. Mit dem Fahrrad kehrte er heim, beladen nur mit dem Nötigsten.
Nichts Überflüssiges lenkt ab
An seinem Arbeitsplatz stapeln sich Farbtuben auf dem Boden, daneben Eimer mit Terpentin, Pinsel und Malpaletten. Die Wand ist über und über mit Farbproben bedeckt, dazwischen Motivvorlagen, Postkarten, auf einer Anrichte Werkzeug, Zangen, Messer und CDs. Er malt u. a. Hütten, verfallene Stadel, braune Allgäukühe, Männer beim Schuhplatteln und Hirten.
Gegenüber stehen in einer Ecke ein modernes Ledersofa und ein niedriger Tisch. An der dunklen Holzwand lehnen und hängen Ölbilder. Weiter hinten hat Annette Lipp ihren Schreibtisch. Sie managt ihren Mann. Der Tisch in der behaglichen Küche ist gedeckt. Feiner Bergkäse aus der Hindelanger Biokäserei, dazu Bauernbutter, Honig und noch warmes Holzofenbrot. Annette und Kilian Lipp schätzen die einfachen, guten Dinge.
Die Wohnung im Erdgeschoss gleich neben der Tenne ist ihr Rückzugsort. Die Zimmer darüber und der ausgebaute Dachboden dienen ebenfalls als Ausstellungsfläche.
Annette Lipp: "Es ist wie ein Schneckenhaus, da drüben das große Atelier, hier die kleinen Räume, der schöne Kachelofen. Wenn man mit der Welt korrespondieren will, geht man raus. Wenn man für sich sein will, kommt man hierher."
In der vertäfelten Stube steht ein alter Sekretär, ein Erbstück ihrer Oma. Den Kachelofen umzieht eine gepolsterte Bank. Nichts Überflüssiges lenkt ab, nur Dinge mit Familienerinnerung gibt es hier. Und natürlich Kunst, Bilder, Skulpturen.
Modern ist der schwarze Küchenblock, der aus Italien geliefert und erst eingepasst werden musste, das Zimmer hat ein Gefälle von fast zehn Zentimetern.
Zur köstlichen Brotzeit gibt es ein Gläschen Wein, und Kilian Lipp philosophiert: "Man ist immer auf der Suche nach seinen Wurzeln. Man denkt und geht zwar in die Zukunft, trotzdem möchte man auch eine Verbindung zu dem herstellen, wo man herkommt. Bilder der Kindheit findet man in solchen Gebäuden wie diesem wieder."
Annette Lipp nickt und fährt fort: "Ich hatte so eine unbestimmte Sehnsucht nach der guten Stube mit Ofen und Herrgottswinkel, weil ich da immer Oma und Opa sitzen sehe. Vielleicht habe ich mich deshalb darauf eingelassen, eine Ruine zu sanieren, um wieder Anschluss an früher zu finden. Und ja, es gelang vom ersten Moment an. Ich liebe es, in ruhigen Stunden am Ofen zu liegen und die Gedanken schweifen zu lassen."
Im Hintergrund schwebt jetzt leise Barockmusik. Klänge von Georg Friedrich Händel erfüllen das Haus. Draußen am Himmel patrouilliert ein Adler, sehr elegant.
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Schwäbische Zeitung, 17. Dez. 2013
Kilian Lipp ist Besuchermagnet
Mit neuen Arbeiten eröffnet die Galerie im Torhaus die Ausstellung des Malers
Text: Babette Caesar / Foto: Roland Rasemann
LEUTKIRCH - Durchquert eine rote Linie, gesetzt in gebrochener Kontur, das Bildmotiv, handelt es sich mit einiger Wahrscheinlichkeit um ein Werk von Kilian Lipp. Letzte Gewissheit gibt seine Signatur "Kili". 26 neue Arbeiten zeigt er in der Galerie im Torhaus. Landschaften und Menschen des Oberallgäus sind es vor allem, die zur Eröffnung am Sonntag eine große Besuchermenge angezogen haben.
1999 hat Kilian Lipp schon einmal in Leutkirch ausgestellt. Von daher und von seiner Heimatregion, wo er 1953 in Vorderhindelang geboren wurde und heute dort lebt, kennen Ihn viele Kunstsinnige. Er hat ein sehr freundliches Wesen, er spricht offen über sein Schaffen, aber ohne dick aufzutragen. Darüber, dass ihm jeder Tag Neues bringt und damit auch jedes angefangene Bild.
Ist er schlechter Laune, malt er nicht. Daraus spricht eine positiv gestimmte Haltung der Natur gegenüber, in der Lipp die Grundvoraussetzung menschlicher Esistenz sieht. Sie sinnlich wahrzunehmen und im Gedächtnis als Erfahrenes zu speichern, drücken seine Bilder mittels groß angelegter, bäuerlich wirkender Figuren in lichten ebenso wie dunklen Atmosphären aus.
Bürgermeister Martin Bendel eröffnete die Ausstellung mit einem Grußwort zur Musik von Blockflötistin Melinda Havasi-Kiss und Cellistin Anna Sophia Hummel. Laudator Roland Graf legte in prägnanten Sätzen dar, dass sich Kilian Lipp in der Tradition europäischer Malerei entdeckt und gefunden habe. Dass er nicht an der Natürlichkeit vorbei male, sondern sein Ziel der Gleichklang zwischen innerer und äußerer Natur sei. Für Lipp bedeutet Malerei Kommunikation im Sinne eines Befragens der eigenen Befindlichkeit.
So gerät Malerei zum Erlebnis. Als Vorgabe dienen ihm die Natur und der darin lebende Mensch. Beides ist in einem zugleich gestischen wie flächigen Duktus angelegt. Seine Frauen und Männer fallen durch ihre starke Vereinfachung auf, was sich besonders an Händen und Füßen zeigt. In der Regel sind sie gesichtslos und tragen weiße Kleidungsstücke. Märchenhaft erscheinende Mdchen lehnen an hellen Birkenstämmen, eine junge Frau und ein derber Mann tanzen einen Schuhplattler, drei Männer sitzen draußen um einen Tisch und spielen Karten. Groß sind sie alle ins Bildgeviert gesetzt, drohen dieses bisweilen zu sprengen, und wie durch einen transparent über die Farbschichten gelegten Schleier geben sie sich mehr oder weniger zu erkennen.
Dieses Verschwommene und gemessen der der so genannten Realität Ungenaue ist Lipps künstlerische Besonderheit.
Impressionistisches fließt da mit ein, welches der Betrachter auf reinen Landschaftsbildern wie "Weg zum Gailenberg" oder "Sommerwolke am Iseler" in Reinkultur antrifft. Sie gebärden sich freier und animieren Lipp zum spontaneren Umgang mit dem Sujet.
Herausragend in dieser Schau allein schon des überdimensionalen Formats wegen - die zweiteilige Arbeit "Ikarus". In einem hellen wirbelnden Farbenmeer durchschwebt der geflügelte Sohn des Daedalus die Gefilde des Himmels. Von Übermut und tödlichem Sturz ist hier keine Spur zu erkennen. Lipps Ikarus gleitet wohlbehalten durch die Lüfte, erlöst vom Irdischen und vom Menschsein.
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Adac - Reisemagazin, Januar / Februar 2012
Text: Kathrin Meyer / Foto: Stefan Pielow
Kaum zu glauben, aber dem bekannten Allgäuer Maler Kilian Lipp, 58, stand einst eine Karriere als Schiffsbauingenieur bevor. Ein Jahr lang arbeitete er im Maschinenraum der Olga Jakob, doch bald interessierte ihn Öl nur noch im Zusammenhang mit Leinwand. Nach seiner Zeit als Seefahrer studierte der gebürtige Vorderhindelanger Objektdesign in Aachen und Krefeld. Seine Berufung fand er schließlich in der Malerei. Mit "Kili" signiert er seine Bilder, die häufig Themen und Motive seiner Heimat aufgreifen: Er malt Berge, Hirten, verfallene Stadel, Bäume, Wiesen, Wolkenstimmungen, Wasserfälle, Allgäuer Kühe, Männer bei der Waldarbeit und im Bierzelt. Seine Werke in kräftigen Farben wirken ebenso gewaltig wie zurückhaltend, da er es versteht, die Dinge auf das Wesentliche zu reduzieren. Regelmäßig wandert der 58-jährige mit Rucksack, Leinwand, Staffelei und Walkman los, um in der Landschaft zu malen - auf unserem Foto mit Blick auf Bad Hindelang und den Iseler. "Die Gebirgslandschaft des Allgäus, des Orts meiner Kindheit mit allem Licht und Schatten, ist mir ständige Inspiration und Quelle meiner Malerei - einer Suche nach dem immer Gültigen", sagt er.
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Merian Allgäu, April 2009
Künstler, Macher und Museen
Für große Kunst ist das Allgäu zu klein. Die vielen Museen und Galerien müssen sich daher landesweit profilieren. Das gelingt mit Malern wie Kilian Lipp und Friedrich Hechelmann
Text: Gisela Huettinger, Fotos: Gerald Hänel
„Wir gingen unseren Lieblingsweg nach Oberjoch zu, bei himmlischem Wetter und ich malte den Blick in die sonnige Bergwelt, vorn Tannen, auf den Wiesen überall Herbstzeitlose.“ Es war die Landschaft rund um Hindelang, die den Maler Otto Modersohn im Alter von 65 Jahren künstlerisch noch einmal herausforderte. „Dramatischer und packender“ als das heimatliche Worpswede empfand er die spät entdeckte Allgäuer Gebirgswelt, und hielt sie während seiner Sommeraufenthalte auf vielen Bildern fest.
Wer heute das steile Sträßchen auf den Gailenberg nimmt, wo Modersohn mit seiner dritten Frau Louise Anfang der 30er Jahre ein Feriendomizil besaß, stößt wieder auf einen Maler, und die Allgäuer Landschaft ist auch eines seiner Themen. Diese Parallelen gehören zu Lipps Familiengeschichte. Doch der 55jährige ist künstlerisch zu eigenständig und auch zu erfolgreich, als dass er seinen Großonkel, dessen Name eng mit der legendären Künstlerkolonie Worpswede verbunden ist, instrumentalisieren müßte.
Im Oktober 2008 hat Lipp mit seiner Frau Annette das Kunsthaus Lipp auf dem Gailenberg eröffnet. In dem ebenso behutsam wie stilsicher restaurierten prachtvollen Bauernhaus malt und präsentiert er nunmehr seine Bilder: Berglandschaften rund um Bad Hindelang im Wechsel von Stimmungen und Jahreszeiten, verfallende Stadel auf steilen Wiesenhängen, Tiere und nicht zuletzt Menschen - beim Jodeln, im Bierzelt, beim Tanz. Erdig-warme, eher dunklere Töne kontrastieren mit changierenden Variationen von Weiß, die Ölfarbe wird in breiter, großzügiger Pinselführung auf zumeist größere Leinwandformate gebracht, Übergänge sind oft fließend, Gesichter bleiben unscharf, haben nie mehr als nur Konturen.
Es sind Bilder zwischen Naturerlebnis und Abstraktion, wie der Kunsthistoriker Prof. Dr. Bernd Küster in dem 2006 erschienenen Katalog schreibt. Lipp malt heimatliche Themen, ohne in Heimattümelei zu verfallen. Der gebürtige Vorderhindelanger schaut genau hin, ist mit Themen und Motiven spürbar vertraut, hat aber genügend Distanz, um Veränderung wahrzunehmen und auch zwiespältige Gefühle zuzulassen. Letztere empfand er beispielsweise schon als Kind, wenn die Blasmusik in seinen Ohren zu laut dröhnte und die Schuhplattler allzu derb vom Leder zogen.
Die kleineren Formate malt Lipp inmitten der Berglandschaft, wo er mit Hocker, Hut und Staffelei selbst ein gutes Motiv abgäbe. Für die großen Bilder macht er draußen Skizzen und arbeitet dann im Atelier weiter, sei es in einer alten Fabrik in Bad Hindelang oder eben auf dem Gailenberg. Letzteres freilich nur außerhalb der Öffnungszeiten, wenn keine Besucherinnen und Besucher da sind, denn Konzentration ist eine der Voraussetzungen für seine künstlerische Produktivität. Innere Balance, sagt Lipp, ist die andere.
Und produktiv muss er sein. Denn die Werke mit der Kili-Signatur sind gefragt, seitdem der Maler 1988 den Kunstpreis der Stadt Kempten und damit überregionale Aufmerksamkeit gewonnen hat. 800 private Sammler stehen in seiner Kartei. Einige Bilder hängen in Museen, und die ersten kauft Kilian Lipp bereits wieder zurück, um die eigene Sammlung zu formen, die im Kunsthaus auf dem Gailenberg nunmehr ein festes Zuhause gefunden hat. Aus privaten Mitteln hat er ein fast 400 Jahre altes Kulturdenkmal vor dem sicheren Verfall gerettet und einen Anziehungspunkt für Kulturinteressierte geschaffen.
Dass sie sich wie eine Erfolgsgeschichte aus dem Bilderbuch ausnimmt, ist dabei nicht selbstverständlich. Denn im Allgäu ist Lipp zwar zu Hause und das Allgäu liefert ihm die meisten Motive – die anderen steuert die Toskana bei, wo er sich im Sommer gerne aufhält -, doch sein wirtschaftliches Überleben könnte die Region niemals gewährleisten. Kaum ein Sammler in Lipps sorgfältig gepflegter Kartei hat eine Allgäuer Adresse; und auch das renommierte Hotel Sonnenalp im nahe gelegenen Ofterschwang, das schon seit Jahren Lipp-Bilder sammelt und ein „Kili-Haus“ eingerichtet hat, in dem käufliche Originale hängen, beherbergt Gäste aus ganz Deutschland und darüberhinaus. Ohne überregionale Resonanz kann die Kunst im Allgäu nicht überleben. Das bestätigt auch der Leiter der MEWO Kunsthalle im Memmingen, Joseph Kiermeier-Debre...
Das Allgäu hat mit Friedrich Hechelmann und Kilian Lipp gleich zwei interessante und überregional bekannte Künstler, deren Stil höchst unterschiedlich ist, die aber eines gemein haben: Beide können gut von ihrer Kunst leben, und das Allgäu lebt sehr gut von und mit ihnen.
http://www.merian.de/reportagen/artikel/a-645458.html
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Allgäuer Zeitung - 17. September 2009
Sanierung mit Mut und Sensibilität
Auszeichnung - Ehepaar Lipp erhält Bayerische Denkmalschutzmedaille
| Von Thomas Niehörster | Bad Hindelang. Für herausragende Verdienste um die Sanierung eines Baudenkmals erhielten Annette und Kilian Lipp aus Bad Hindelang die Denkmalschutzmedaille 2009 des Freistaates Bayern. Staatsminister Dr. Wolfgang Heubisch überreichte in Dinkelsbühl dem Ehepaar die Auszeichnung im Großen Schrannensaal.
"Fast vierzig Jahre stand das Bauernhaus "beim Pfloudar" auf dem Gailenberg leer, als Annette und Kilian Lipp den Blockbau 2007 kauften", heißt es in der Laudatio. Sie wollten den in Hanglage errichteten Allgäuer Bauernhof, der im Kern mindestens auf das 17. Jahrhundert zurückgeht, sanieren und als Kunstgalerie nutzen. "Die vorbildliche Instandsetzung wurde mit großer Sensibilität und hoher Eigenleistung in nur einem Jahr durchgeführt". Das Kunsthaus Lipp verzeichnete im ersten Jahr nach der Eröffnung bereits rund 10.000 Besucher.
Da etwa 60 Prozent der rund 126.000 Baudenkmäler in Bayern in privatem Besitz seien, müsse der Freistaat für den Erhalt der Gebäude, obwohl er bereits erhebliche Mittel zur Verfügung stelle, auf die privaten Eigentümer bauen, sagte Heubisch. Privates Engagement und ehrenamtlichen Einsatz wolle die Bayerische Denkmalschutzmedaille würdigen.
"Neben den geleisteten Arbeitsstunden und finanziellen Investitionen haben Annette und Kilian Lipp Mut bei der schwierigen und oftmals hoffnungslos erscheinenden Ausgangssituation bewiesen", erklärte Heubisch.
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Schwäbische Zeitung - Zeit & Welt, 21. März 2009
Kunsthaus statt Kuhstall
Eigentlich wollte Kilian Lipp Schiffsbauingenieur werden. Doch er entschied sich anders, studierte Objektdesign und wurde Maler. Am Gailenberg in Bad Hindelang im Oberallgäu hat der Künstler sich in einem alten Bauernhaus ein Atelier und eine Galerie eingerichtet. Für die behutsame Restaurierung erhielt er jetzt zusammen mit seiner Frau Annette den Denkmalpreis des Bezirks Schwaben.
VON KATJA BECKER
"Hier war die Tenne", sagt Kilian Lipp und zeigt vor sich auf den Boden. Die schweren Dielen aus Fichtenholz haben tiefe Furchen und Kerben; ihre mehr als 300-jährige Geschichte ist ihnen förmlich eingedroschen worden. Wo früher die Spreu vom Weizen getrennt wurde, stehen jetzt ein modernes Ledersofa und ein Holztisch. An der Wand hängt ein Ölbild, darüber ein Adler, gelbkrallig und mit ausgebreiteten Flügeln. Es riecht nach Holz und Terpentin.
Vor knapp zwei Jahren haben Annette und Kilian Lipp das denkmalgeschützte Bauernhaus auf dem Gailenberg gekauft und es mit viel Mühe restauriert. Motto: alte Strukturen erhalten und neu nutzen. "Ich habe ein Zuhause für meine Bilder gesucht", sagt Lipp. Jetzt malt er dort, wo einst das Stroh gelagert wurde, seine Bilder hängen im ehemaligen Kuhstall, auf dem Dachboden und im Wohnhaus. "Leitlinie bei der architektonischen Planung war neben dem Denkmalschutz, dass man immer auf die Bilder schaut, immer Öffnungen schafft und eine gute Beleuchtung hat." Das ist Lipps so gut gelungen, dass sie nicht nur nur mit dem Denkmalpreis des Bezirks Schwaben ausgezeichnet wurden, sondern in ihrem Kunsthaus bis zu 300 Besucher pro Woche empfangen.
Neben dem preisgekrönten Haus mit der grandiosen Aussicht lockt vor allem die Kunst. Rund 60 seiner Bilder stellt Lipp hier aus, die meisten haben einen direkten Bezug zur Umgebung. Lipp malt Hirtenhütten, verfallene Stadel, Bäume, Wiesen, Wasserfälle, Wintersonne am Kugelhorn und immer wieder den Gailenberg. Er malt die braunen Allgäukühe, tanzende Frauen mit Perlenketten, Männer beim Schuhplattler und beim Kartenspiel, mit Bier und Blasinstrumenten, bei der Arbeit im Wald und beim Fliegen - wie auf dem Plakat für die Nordische Ski-WM in Oberstdorf 2005.
"Eigentlich sind es Klischees, die abgenutzt und mit dem Tourismus verbunden sind, aber sie haben mich trotzdem fasziniert, weil das nicht immer so war. Ich wollte mich zu den Ursprüngen zurückmalen", erzählt Lipp. Seine These: "Über Bilder kann der Mensch sich zurückerinnern." An den Urzustand, an die Dinge, die unter der Oberfläche liegen, im Unterbewusstsein schlummern. Archaisch ist eines der Wörter, das der 55-Jährige am häufigsten benutzt, wenn er über seine Kunst spricht. Seinen Bildern haftet stets auch etwas Dunkles an, das Melancholie, aber auch Bedrohung sein kann. Malen aus der Erinnerung nennt das Lipp, den es auf Motivsuche dennoch immer wieder hinaus in die Natur zieht.
Dann stapft er los, mit Rucksack und Leinwand, Staffelei, Stuhl und Walkman. Denn zum Malen braucht Lipp Musik. Am besten Orlando di Lasso, aber auch Händel oder Mozarts C-Moll-Messe. Das Wetter ist dann nebensächlich. "Ich hab auch schon bei minus 20 Grad gemalt. Da wurden die Farben ganz zäh", erinnert sich Lipp und lächelt. "So hab ich mir immer Van Gogh vorgestellt."
Lipps Ohrläppchen ist zwar noch dran, seine Frau Annette nennt ihn aber dennoch einen Besessenen. "Nach zwei, drei Tagen ohne Malen wird er sehr nervös." Lipp selbst sieht sich eher als Melancholiker. "Ich mag die verhangenen Stimmungen", sagt er - und dass es ein Glück sei, hier sein zu können. "In so einer Lage, inmitten meiner Motive."
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Allgäuer Zeitung, 2. Februar 2009
"Abriss wäre ein Verbrechen gewesen"
Denkmal Wie Annette und Kilian Lipp ein altes Bauernhaus respektvoll sanierten und zu einer Kunstgalerie mit Atelier umbauten
| Von Klaus-Peter Mayr | Bad Hindelang Wenn der Maler Kilian Lipp von Vorderhindelang loszog, um inspirierende Motive für seine Bilder zu finden, ging er oft hinauf zum Gailenberg. Zu Fuß sind das zehn Minuten. In dem Weiler auf 1000 Metern Höhe sah er ihn oft, diesen kleinen Bauernhof an der Hangkante mit der schönen Aussicht und dem idyllischen Obstgarten, der sich den Hang Richtung Hindelang herunterzieht. Er verfiel zusehends, weil niemand ihn bewohnte. Gern hätte Lipp ihn gekauft und hergerichtet, so etwas was immer sein Traum. Vor zwei Jahren konnten er und seine Frau, Annette Lipp, den Hof überraschend kaufen.
Noch heute strahlen beide vor Glück, wenn sie diese Geschichte erzählen. Inzwischen hat sich der Bauernhof radikal verändert, innen wie außen. Aber die Lipps taten das nicht, was wohl viele erwarteten: das Gebäude abreißen und neu aufbauen. Stattdessen sanierten und renovierten sie es. Und zwar auf so vorbildliche, sensible, respektvolle Weise, dass sie nun den mit 10 000 Euro dotierten Denkmalpreis des Bezirks Schwaben erhielten.
"Der Abriss wäre ein Verbrechen gewesen", sagt Kilian Lipp. Das hätte freilich auch das Denkmalamt nicht erlaubt, denn das Gebäude steht unter seinem Schutz. Wie alt es ist, weiß man nicht genau. Erstmals erwähnt wurde es im Jahr 1939. Kurioserweise bewohnte es damals auch ein Lipp. Ob es sich um einen weitschichtigen Verwandten von Kilian Lipp handelt, hat sich bisher nicht klären lassen.
Im Untergeschoss befand sich der Stall, darüber erhob sich die Tenne. In der Südostecke war der Wohntrakt eingebaut. Spätere Bewohner stockten das Gebäude auf.
Behutsam Neues eingebaut
Viel Gerümpel, nasse Wände, morsche Balken - die Lipps erwartete eine Menge Arbeit. "Es gab viele, die die Hände über dem Kopf zusammenschlugen, als sie das sahen", berichten sie. Sie selbst fühlten anders: Jeden Tag hätten sie sich an dem Schönen erfreut, was das alte Haus bereithielt.
Bei den Umbauplanungen half, dass Kilian Lipp einst Design studierte. Und dass er immer schon ein Fabile für Architektur hatte. Vormittags auf der Baustelle, besprach sich mit den Handwerkern, legte selbst Hand an. Das Malen beschränkte der renommierte Künstler auf den Nachmittag.
Schritt für Schritt gingen die Lipps bei der Sanierung vor. Ziel: Möglichst viel von der alten Substanz zu erhalten und - in Absprache mit dem Denkmalamt - so behutsam wie möglich das Neue einzubauen: Betondecken, Stahlträger, Fenster und ihre Beschläge, Türen, Treppengeländer, Beleuchtung.
Bewusst setzten die Lipps auf eine Architektur, wie sie nebenan beheimatet ist: Klare, schlanke Formen, wenige, sorgfältig ausgewählte Materialien, pfiffige Details, praktische Lösungen. Keine Spur von kitschiger Landhaus-Atmosphäre, keine aufgeblasene Jodel-Architektur, wie sie leider im Allgäu noch immer gepflegt wird, kein 08-15-Baumarkt-Teil. Ausschließlich heimische Handwerker mit den entsprechenden Kenntnissen bekamen Aufträge. Planung und Ausführung gingen Hand in Hand. "Wir diskutierten über jeden einzelnen Balken", sagt Lipp.
"Es kommt auf die Ideen an. Dann ist vieles gar nicht so teuer". Annette und Kilian Lipp
In dem ein Jahr dauernden Umbau entstand eine faszinierende und harmonische Symbiose aus Alt und Neu. Der ehemalige Kuhstall ist jetzt eine Galerie mit Lipp-Bildern, wo früher das Heu gelagert wurde, malt nun Lipp. Viel Licht fällt ins Atelier, weil große Fenster in die Fassade hineingesetzt wurden. Dank raffinierter Lamellen fügen sie sich gut in das geschindelte Haus ein. Innen ist es auch bei Eiseskälte wohlig warm. Dank einer 30 Zentimeter starken Dämmung in den Außenwänden erreicht das Gebäude Niedrigenergie-Status. Da alles war nicht nur viel Arbeit, sondern kostete eine Menge Geld. Aber die Lipps sagen auch: "Es kommt auf die Ideen an, dann ist vieles gar nicht so teuer".
Wie so viele ist auch Bezirksheimatpfleger Dr. Peter Fassl begeistert. "Das Haus ist einen Besuch wert", sagt er. Ihn freut nicht nur der Erhalt und die "sorgsame Sanierung", sondern dass das Gebäude öffentlich zugänglich ist. Das Interesse an Atelier und Galerie ist riesig.
Durchschnittlich wagen es mehr als 200 Besucher pro Woche, das enge, steile Sträßchen von Hindelang aus hinaufzufahre. Aufs Jahr gerechnet ergibt das 10 000 Gäste.
Wohnen wollen die Lipps derzeit noch nicht dort oben in Gailenberg, einer natürlichen Sonnenterrasse mit grandioser Sicht hinauf zu den Bergen und hinab ins Ostrachtal. Noch bleiben sie mit ihren schulpflichtigen Kindern unten in Vorderhindelang. Doch können sie sich gut vorstellen, in ein paar Jahren die gemütlichen Räume mit den niedrigen Decken und den holzvertäfelten Wänden zu beziehen.
Das Kunsthaus Lipp ist geöffnet von Donnerstag bis Sonntag, 14 bis 17 Uhr.
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Augsburger Allgemeine - Kultur, 23. Januar 2009
Altes Haus, neues Leben
Denkmalpreis Bezirk honoriert privaten Einsatz
Augsburg | ioa | Der schwäbische Bezirksheimatpfleger Peter Fassl ist sich sicher: "Das Bewusstsein für die Denkmalpflege vor Ort ist gewachsen. Die Menschen sehen es als Verlust, wenn in ihrer Gemeinde nur noch Gebäude stehen, die nach 1945 erbaut worden sind".
Der Bezirk Schwaben honoriert seit inzwischen acht Jahren privates Engagement in der Denkmalpflege mit einem Denkmalpreis. Die jährlich vergebene Auszeichnung ist mit insgesamt 20.000 Euro dotiert. Zwölf Vorschläge hatten die Kreis- und Stadtbauverwaltungen in Schwaben, die Heimatpfleger sowie das Landesamt für Denkmalpflege diesmal gemacht.
Der Hauptpreis (10.000 Euro) ging an Annette und Kilian Lipp für die Sanierung eines ehemaligen Bauernhauses in Gailenberg (Hindelang / Oberallgäu). Das fast 40 Jahre lang leer stehende Haus sanierte der Kunstmaler Lipp mit hoher Eigenleistung und örtlichen Handwerkern innerhalb eines Jahres. Jetzt beherbergt es eine Galerie. Diese Nutzung "erhebt das Haus zu einem Kunstobjekt und lässt doch die ursprüngliche Funktion prägend erkennbar. Die Präsentation der Gemälde ist faszinierend", befand gestern der Kulturausschuss des Bezirks.
Einen Sonderpreis (5.000 Euro) erhalten Walburga und Wilhelm Bühringer für die Sanierung des ehemaligen Ackerbürgerhauses in Lauingen (Architekt: Volkmar Schubert). Das Anwesen mit sechs Achsen, einem Tennenteil, zwei Wohngeschossen und dreigeschossigem Kehlbalkendach war in einem ruinösen Zustand und sollte eigentlich abgerissen werden. 14.000 Arbeitsstunden steckte das Ehepaar in die Rettung des stattlichen Bürgerhauses, das jetzt die städtebauliche Situation aufwertet. Für die Sanierung des Trentinihauses in Kaufbeuren wurde Christoph Welsch (Landschaftsarchitektin: Gudrun Maria Dietz-Hofmann) mit dem zweiten Sonderpreis - ebenfalls 5.000 Euro - ausgezeichnet. Die 1839 erbaute Sommervilla war nach den Umbauten in den 1970er Jahren kaum mehr zu erkennen gewesen. Die Sanierung unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten erweckte das "Kleinod der Villenarchitektur des 19. Jahrhunderts" wieder zu neuem Leben.
Der Denkmalpreis 2008 wird am 3. März um 19.30 Uhr im Rokokosaal in Augsburg verliehen.
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AZ - Allgäu-Kultur, 8. Oktober 2008
Bauernhof als Galerie
Kunst Maler Kilian Lipp hat eine neue Heimat
Bad Hindelang | thn | Fast vier Jahrzehnte stand ein 400 Jahre altes Bauernhaus auf dem Gailenberg bei Bad Hindelang leer, bevor es vom Maler Kilian Lipp und seiner Frau Annette Lipp erworben wurde, um darin eine Galerie und ein Atelier einzurichten.
Kilian Lipp, der 1953 in Vorderhindelang geboren wurde, hat die größte Zeit seiner Malerkarriere auf dem Gailenberg verbracht. Die urwüchsige Landschaft schenkte ihm ausdrucksstarke Motive.
Das unter Denkmalschutz stehende Haus wurde von Grund auf saniert. Zur Talseite hin ist die Front durchgängig verglast und bietet ihm in seinem Atelier einen atemberaubenden Blick über das gesamte Ostrachtal. Rund 500 Quadratmeter, auf denen Lipp derzeit 60 Bilder zeigt, stehen als Ausstellungsfläche zur Verfügung. Lipp ist ein Künstler, der die ihn umgebende Landschaft mit allen Sinnen beobachtet, erspürt und tief in sich aufnimmt: das sich stets verändernde Licht, das wechselnde Wetter, die Klänge und den Geruch der Weiden und des Waldes.
1.000 Besucher zur Eröffnung
Seine Bilder spiegeln den Gleichklang und die Verbundenheit mit der Umwelt wider. Davon konnten sich rund 1.000 Besucher bei der Eröffnung des "Kunsthauses Kilian Lipp" am Wochenende überzeugen.
Geöffnet: Donnerstag bis Sonntag, 14 - 17 Uhr
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AZ - Oberallgäu Kultur, 7. Oktober 2008
Kraftvolle Bilder, kraftvoller Raum
Eröffnung Maler Kilian Lipp hat auf dem Gailenberg ein Kunsthaus eingerichtet
Von Thomas Niehörster
Bad Hindelang Beinahe vier Jahrzehnte stand das bald 400 Jahre alte Bauernhaus auf dem Gailenberg leer, von dem die Nachbarn meinten, man solle das Gelump doch am besten über die Kante hinabschieben. Es war ein großes Glück, dass das Gebäude 2007 vom Maler Kilian Lipp erworben wurde, um ein Kunsthaus daraus zu machen.
1639 von Peter Lipp, zu dem Kilian Lipp über eine Seitenlinie Nachkomme ist, erbaut... |